Persische Kalligraphie – eine Ausstellung in Zürich

Re-Orientation“ hieß die Ausstellung in Zürich, in der unter anderem persische Kalligraphie zu sehen war. Ziel der Ausstellung im Kunsthaus war es, den Einfluss islamisch geprägter Kulturen auf die westliche Kunst zu zeigen. Unter den Exponaten waren einige Blätter aus dem berühmten Schahnameh (Buch der Könige). Diese sehr alte grossformatige Ausgabe stammt aus der Sammlung von Jean Pozzi, einem der renommiertesten Sammler persischer Kunst im Europa des 20. Jahrhunderts. Aufgrund der wunderschönen Beispiele persischer Kalligraphie in der Ausstellung, hat HandwritingBiblio eine Expertin auf diesem Gebiet gebeten, eine kurze Zusammenfassung zum Thema „persische Kalligraphie“ zu schreiben, da Kalligraphie ein Aspekt der Handschrift darstellt. Weitere Beiträge zum Thema „Kalligraphie“ finden sich unter diesem Link.

Die Expertin ist Franziska Stöcklin, die selbst viele Jahre in Iran gelebt hat und unter anderem ein Buch namens „Iran – Land der stillen Schönheit: Einblicke in Kultur und Geschichte“ verfasst hat. Die in diesem Beitrag gezeigten Abbildungen mit persischer Kalligraphie stammen alle von Franziska Stöcklin. Wir danken der Autorin des nachfolgenden Textes herzlich, dass sie uns die Abbildungen zur Verfügung stellt.

„Die persische Kalligraphie hat ihren Ursprung in der arabischen Kalligraphie. Im Islam galt seit jeher die Schrift als der wesentlichste Schmuck, als die höchste Kunst. Die arabische Sprache und Schrift wurden als heilig gesehen, da das Wort Gottes, die Offenbarung, in Arabisch niedergeschrieben worden war. In der Kalligraphie wird das heilige Wort ästhetisch kultiviert. Diese Kunstform brachte mit der Zeit unterschiedliche Schreibstile hervor, die strengen Gesetzen unterworfen sind. Sie basieren auf einem präzisen System für die Masse der Buchstaben und auf harmonischen Proportionen. Anhand des Alifs, des ersten Buchstabens des Alphabets, werden die Längen und Breiten der anderen Buchstaben bestimmt. Das harmonische Schriftbild basiert also auf einer starken Stilisierung und Standardisierung. Als Schreibutensilien dienten den Kalligraphen vorzugsweise ein Stift aus Schilfrohr, der Qalam, und Tinte.

Die arabische Schrift unterscheidet sich von anderen Schriften wie der lateinischen, griechischen, kyrillischen, chinesischen oder koreanischen u.a. dadurch, dass sie nicht aus voneinander getrennten Einheiten besteht. Deshalb muss der Schreiber den Stift weit weniger ab- und wieder neu ansetzen. Die Buchstaben werden miteinander verbunden, die Wörter bilden also einen Fluss. Damit spielt die Ligatur, die Länge der Bindung zwischen den Buchstaben, bei der Komposition eine besondere Rolle, diese Bindung kann gedehnt oder kurz gezeichnet werden.

Eine der ältesten Formen der arabischen Schriftkunst ist Kufi, benannt nach der Stadt Kufa. Sie ist steil und geometrisch. Da anfangs die Diakritika fehlten, die Punkte, deren Position und Anzahl verschiedene Buchstaben kennzeichnen, ist die Schrift schwer lesbar und macht die Koransätze vieldeutig. Das führte dazu, dass die Schrift zum Leidwesen der religiösen Fanatiker reformiert und die Punkte eingeführt wurden.

Im persischen Raum entstanden nun eigene Schreibstile und Versionen. In der Stadt Nischapur im heutigen Nordostiran wurde eine eigene persische Variante der kufischen Schrift verwendet. Wunderschöne Beispiele dafür finden wir auf den typischen Nischapur Keramikschalen.

Die Taliq-Schrift wurde im 10. Jahrhundert im Iran entwickelt und setzte sich insbesondere als Kanzleistil durch. Sie weist runde Formen auf und betont lange Striche, ist stark verziert und die geschriebene Linie ist oft schräg. Sie wurde speziell für die Bedürfnisse der persischen Sprache entworfen, die die arabischen Buchstaben verwendet, diesen aber, um das eigene Lautbild korrekt wiedergeben zu können, vier Buchstaben hinzufügte. Taliq wurde für die Korrespondenz des Hofes verwendet, war aber auch im Alltagsgebrauch üblich. Im 14. Jahrhundert wurde sie von der Nastaliq-Schrift abgelöst.

In Tabriz im heutigen Nordwestiran, der Hauptstadt der mongolischen Ilchane, die im 13. Jahrhundert die Macht über Persien, Mesopotamien und grosse Teile Zentralasiens übernahmen und das Persische, nicht das Arabische, als Hof- und Amtssprache verwendeten, wurde der luftige und elegante Nastaliq-Stil entwickelt. Dieser zeichnet sich durch schwungvolle Unterzüge aus, gedehnte horizontale Linien, betonte Rundformen und das Fehlen von Serifen. Wie Taliq auch, wurde Nastaliq weniger für religiöse Texte verwendet, als vielmehr für den Alltagsgebrauch, für die Verwaltung, für Briefe und für profane Literatur und beherrscht heute das Schriftbild im Iran. Einer der bedeutendsten Kalligraphen, welcher der persischen Kalligraphie zum Durchbruch verhalf, war Jafar Tabrizi. Er schrieb unter anderem das Schahnameh, das ‘Buch der Könige’ von Ferdowsi nieder. Ferdowsi hatte sein Nationalepos bewusst auf Persisch verfasst. Dies zu einer Zeit als im 10. Jahrhundert die persische Literatur zu einer neuen Hochblüte ansetzte und die persische Klassik ihren Anfang nahm. In seinem Werk erzählt er die Geschichte seines Volkes, von ihren mystischen Anfängen über die Zeit der legendären heroisierten Könige bis hin zur Zeit der Islamisierung unter den arabischen Kalifen. All dies wird in Form einer komplexen Kalligraphie dargestellt und schmückt besonders eindrücklich diesen bis heute bedeutungsvollen persischen Nationalepos.“