Was zeichnet einen guten Politiker aus? Lebt er die Kardinaltugenden Klugheit, Mäßigkeit, Mut und Gerechtigkeit? Oder darf er, wie der Durchschnittsmensch, bequem, gutmütig und wankelmütig, auch eigennützig und vorsichtig sein?
In einem WPR-Diskussionspapier des Instituts für Wirtschaft, Politik und Recht der Universität für Bodenkultur Wien (1997) zum Thema „Was erwarten wir vom Politiker?“ kann man Folgendes lesen:
Die beste Verfassung ersetzt nicht den Charakter. Sie setzt ihn voraus. Als anvertraute Aufgabe, die um des Gemeinwohls willen in Verantwortung wahrzunehmen ist, verlangt jedes Amt ein Ethos besonderer Art. Das politische Gelöbnis als feierliches, öffentliches Versprechen weist darauf hin. Ohne Gesinnungs- und Verantwortungsethik verkommt die Politik, verkommen die Politiker. Dabei ist heute mehr denn je neben der Mitwelt- und Umweltethik eine Nachweltethik gefordert. Der alte römische Spruch: „Quidquid agis prudenter agas et respice finem“ – „Was Du auch machst, tue es klug und bedenke die Folgen, das Ende“, ist aktueller denn je. Resultat-orientierte Ethik ist gefragt.
Welche charakterlichen Voraussetzungen braucht ein Berufspolitiker? Zu Thema „Politik als Beruf“ hat der Soziologe und Ökonom Max Weber bereits 1919 in München einen Vortrag gehalten. Dort stellt er die Frage, „was für ein Mensch man sein muß, um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen“ (S. 51). Die Antwort fasst er in einem Satz zusammen und führt dies später weiter aus: „Man kann sagen, daß drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß.“ (S. 51). Unter Leidenschaft versteht Max Weber die leidenschaftliche Hingabe an eine Sache. Diese wiederum muss vom Verantwortungsgefühl getragen sein und zwar gegenüber jener Sache selbst. Das Verantwortungsgefühl wiederum muss vom Augenmaß, worunter er „innere Sammlung und Ruhe“ versteht, getragen sein. Das Augenmaß verschafft ihm Distanz zu Dingen und Menschen – ihn selbst eingeschlossen. Was erreicht ein Politiker dadurch? Glaubwürdigkeit und Authentizität, die sich als Übereinstimmung von Denken und Handeln zeigen. Daraus ergibt sich die Vertrauenswürdigkeit.
Welche Feinde stellen sich laut Max Weber dem Politiker dabei in den Weg?
- Eitelkeit als der Feind der sachlichen Hingabe und der Distanz sich selbst gegenüber
- Angst
- Unsicherheit
- Standpunktlosigkeit bzw. Beliebigkeit
- Bedachtsein auf Wirkung und Eindruck, wodurch die Gefahr besteht, zum Schauspieler zu werden und die Folgen für sein Tun zu leicht zu nehmen
- Gefahr der inneren Schwäche und Ohnmacht hinter protzigen Gesten verstecken
- Den Dienst an der Sache aus den Augen verlieren
Die von Max Weber genannten charakterlichen Voraussetzung kann man durch die Handschriftanalyse erkennen. Verschiedene Handschriften von Politikern werden immer wieder graphologisch unter die Lupe genommen, so z. B. die Handschrift von Franz Josef Strauß. Kurz vor der deutschen Bundestagswahl gibt es nun mal wieder eine Gelegenheit, weitere Spitzenpolitikerhandschriften auf Basis von öffentlichen Dokumenten einer Handschriftanalyse zu unterziehen. In unserem Blog werden wir natürlich nur auf die von Weber genannten Aspekte eingehen.
Söders Handschrift
Art und Ausprägungsgrad des Schriftmerkmals in Söders Handschrift | Persönlichkeitseigenschaften von Markus Söder |
Kombination von Mangeln an Verbundenheit, Binnenlücken, ungenauer Buchstabenformung, Unleserlichkeit, magerer Formgebung und Zeilenschwankungen | Anpassungsunwilligkeit aus Angst und innerer Unsicherheit |
Einzelbewegungen mit gestauter, kraftlosen, brüchiger Strichführung und unregelmäßiger Formgebung | Eigensinniger Selbständigkeitsdrang, Empfindlichkeit, Fehlsteuerung |
Kleine Längenunterschiede, kleine Handschrift, vereinfacht-vernachlässigte Formgebung im Mittelband mit gezügeltem Bewegungsumfang in der Textschrift (im Widerspruch zur Unterschrift) | Nüchternheit, Beschränkung der emotionalen Regungen auf das Wesentliche, ehrgeiziges Expansionsstreben der beruflich-überpersönlichen Antriebe |
Weite Wortabstände, Binnenlücken, Unverbundenheit, verkümmerte Unterlängen, Suspendus | Kontaktängstlichkeit, leichte emotionale Störbarkeit, Konfliktvermeidung, Sorge vor Missbilligung, Selbstzweifel |
Unleserliche Unterschrift, die divergiert von Textschrift und größer ist als die Textschrift | Persönliche Interessen wichtiger als Sachinteressen, Misstrauen aus Selbstschutz, Entzug vor der als übermächtig empfundenen Verantwortung und Haftung, Mangel an Authentizität |
Laschets Handschrift
Art und Ausprägungsgrad des Schriftmerkmals in Laschets Handschrift | Persönlichkeitseigenschaften von Armin Laschet |
Formflüssige Handschrift mit kurviger, gut koordinierter und ökonomischer Bewegungsführung, origineller Formgebung und gestaltetem Raumbild | Geschmeidige Anpassungsfähigkeit, Agilität, bewusste Anpassung, psychische Beweglichkeit, vorausschauendes Handeln |
Kleine, vereinfachte, selbständig geformte, gut gegliederte, geschickt verknüpfte Handschrift | Guter Überblick, Differenzierungs- und Abstraktionsvermögen, Kritikfähigkeit, selbständiges Urteilsvermögen, Nüchternheit |
Große Wortabstände, Linksschrägheit, straffe Fadenbindung mit ansatzweiser Girlandenbindung, verminderte Anfangsbetonung, Endunterbetonung bei kleiner und magerer Schrift | Bescheidenheit, Zurückhaltung, selektives Kontaktverhalten, Diplomatie, Einfühlungsvermögen, Fähigkeit zur Abgrenzung |
Mittlerer Verbundenheitsgrad, verkleinerte Wortenden, schnelles Schreibtempo, genau gesetzte und eingebundene Oberzeichen, gerade Zeilenführung, gleichmäßig gesteuerter und sicherer Bewegungsablauf | Unternehmungslust, Initiative, Selbstvertrauen, selbstkontrolliert, Konzentrationsfähigkeit |
Unterschrift ähnlich zur Textschrift mit lesbarem, ausgeschriebenem Vor- und Nachnamen | Privates und öffentliches Auftreten im Gleichgewicht, authentisches Auftreten |
Spahns Handschrift
Art und Ausprägungsgrad des Schriftmerkmals in Spahns Handschrift | Persönlichkeitseigenschaften von Jens Spahn |
Spannungsgrad V und I mit unregelmäßigen, vernachlässigten und aufgelösten Formen sowie abrupten, ausfahrenden, hart gesteuerten (Einzel)bewegungen, keine elastischen Hin- und Herbewegungen, sondern unausgewogener Bewegungsablauf. In Kombination mit einem hohen Schreibtempo und großen Längenunterschieden. | Innere Alarmbereitschaft und Gehetztheit, Exzentrizität, Wankelmut, gesteigerte Reaktivität, Mangel an Ausdauer, ohne feste Grundsätze und Ziele, innere Unruhe und Selbstüberforderung aufgrund des Missverhältnisses zwischen Wollen und Können |
Starkes Unregelmaß in Größe, Weite, Lage und Zeilenführung in Kombination mit einer unverbundenen und eigenwillig geformten Handschrift | Persönliches Format, Selbständigkeit und individuelle Haltung bei gleichzeitiger Gefühlslebhaftigkeit, Impulsivität, Nervosität, Inkonsequenz, Beeinflussbarkeit, starken Leistungsschwankungen, innerer Unsicherheit und affektgesteuerten Reaktionsweisen |
Hohes Schreibtempo durch Kürzung des Schreibweges und Formverschleifungen | Aktivität des Handelns und Denkens, rasche Auffassung und gedankliche Verarbeitungsfähigkeit |
Vernachlässigte Schrift mit verminderter Lesbarkeit | Mangel an Zielbestimmtheit, innere Unsicherheit, sich verstecken hinter Vielgeschäftigkeit |
Kleines, mageres Mittelband mit gewandten Verknüpfungen sowie vereinfachter bis vernachlässigter Formgebung. In Kombination mit schwankender Zeilenführung und hoher Schreibgeschwindigkeit | Abstraktionsvermögen, beweglich bis oberflächliches Denken, neu eingetretenen Situation gewachsen sein durch handlungsorientiertes Bewältigen von Schwierigkeiten |
Herausschießende Oberlängen in Kombination mit großen Längenunterschieden, Anfangsbetonung, eigenwilligen Formveränderungen und einer vergrößerten Unterschrift | Führungsanspruch, Leistungsehrgeiz, Eitelkeit, Effekthascherei |
Wie sind die drei Handschriften in Bezug auf einen „guten Politiker“ zu bewerten?
Gehen wir zurück an den Anfang und lesen erneut, welche Eigenschaften einen guten Politiker auszeichnen und welche Feinde stellen sich ihm dabei in den Weg. Bewerten Sie als LeserIn selbst, wie dies im Falle von Markus Söder, Armin Laschet und Jens Spahn aussieht aufgrund der graphologisch ermittelten Persönlichkeitseigenschaften. Für die Politiker selbst können daraus Momente der kritischen Selbstreflexion entstehen.